Den kannte ich noch nicht: "Von der Spur zur Piste" zeigt das Skitreiben Mitte der 1950er Jahre.
Der Film beginnt mit einer kurzen Schilderung der tausende Jahre alten ersten Ski, geht dann flott in die Anfänge des Skilaufs in Europa über,
um schnell im "Jetzt", also 1956 anzukommen.
Inhaltlich wird nichts ausgelassen, was auf und um die Piste herum wichtig war, besonders gut finde ich die Pistenretter/Bergretter Szenen,
auche Beinesammler genannt. Kannte man in den 1930er Jahren noch keinen Akja, so gibt es die Rettungswanne in den 1950er Jahren
bereits vielerorts, das Bein wurde mit dem Skistock geschient, der gut verschnürte Verunfallte kam unbetäubt in den ... Genuß einer Abfahrt
über die damals noch wellenreichen Pisten.
Im Vergleich zu heute, wo ein umgehend leicht sedierte Freund meines Sohnes weder seine Schmerzen noch das Panorama aus dem Helikopter
mitbekam, war so ein Transport mit Beinbruch bei vollem Bewusstsein sicher eine üble Sache.
Nichts jedoch im Vergleich zu den Beschreibungen über die ersten Rettungen in den 1920er Jahren, wie sie von Wiggerl Gramminger in seinem Buch
"Das gerettete Leben" beschrieben werden: Die Ski zusammen gebunden und mit Zweigen gepolstert, wurde das Opfer mühselig zu Tal bugsiert,
eine Tortur für Retter und Verletzten, für die die Retter zum Teil auch endlose Anfahrten und Anstiege in Kauf nehmen mussten.
Gramminger beschrieb die alpine Rettungsstelle im Münchner Hauptbahnhof, telefonisch erreichbar und von dort wurde nach einem Notruf
die Anfahrt mit dem nicht gerade schnellen ersten Automobil der Retter über das noch wenig ausgebaute Straßennetz angetreten.
Ab Minute 6:30 eine Bindungsvorführung dreier aktueller Modelle, darunter die frühe Marker-Sicherheitsbindung.
Schöne Skiszenen, wie viel langsamer waren die Freizeitfahrer unterwegs, es sieht zum Teil symphatisch unbeholfen aus,
wie die Leute sich bewegen. Am Ende gibt es noch seltene Aufnahmen eines "Versehrten"-Rennens, bei dem Beinamputierte
mit einem Ski und zwei Stöcken mit Miniski abfahren. Ich hatte diese Männer als Kind immer sehr bewundert, wenn wir ihnen in den 1960er/70er Jahren
im Winterurlaub begegneten, größtenteils wohl Kriegsverwundete, etwas älter oder weit älter als mein Vater, und tolle Skifahrer.
Ich staunte.
Die alten Filme sind nicht nur inhaltlich interessant, sondern auch der sauber vorbereiteten Texte wegen. Schön formuliert, ein feiner Humor,
witzige Formulierungen und ruhig vorgetragen von Sprechern mit gut verständlichem Ausdruck, angenehm wie die Stimme eines Märchenonkels
und frei von Hektik.
Hier der Beschreibungstext der ARD:
"Zwoa Brettl, a gführiger Schnä juchä…“ Das war der Ski-Schlager in den Fünfzigern schlechthin.
Und genau so fängt auch dieses wunderschöne Feature über die Anfänge des Skifahrens als Massenbewegung an.
Der Autor Otto Guggenbichler ist in Garmisch und fährt Lift, sein Kommentar dazu lautet, dass der Lift zwar viele Menschen auf den Berg bringt,
aber dafür halt nur an dieser Stelle, während andere Gegenden von den Massen verschont bleiben.
Wie groß das Ganze aber eines Tages werden wird, davon konnte er natürlich noch nichts wissen.
Und es war ja gerade einmal 65 Jahre her, dass in Bayern gemäß königlichem Erlass das Skifahren noch verboten war.
In ganz Deutschland gab es 1905 nur 1200 Skiläufer, Mitte der Fünfzigerjahre, als dieser Film entstand, waren es schon fast fünf Millionen.
Bevor der Zuschauer jedoch Kinder beim Skilaufen an den Hängen der Oktoberfestwiese(!) in München zu sehen bekommt,
erzählt Guggenbichler in raschen Schritten die Geschichte des Skilaufs seit Urzeiten.
Die ersten Skifahrer in Deutschland gab es übrigens in Berlin und sie waren auch beliebtes Ziel des Spotts in Karikaturen.
Zu einer Zeichnung mit einer Ski-springenden Frau gab es zur Jahrhundertwende den Text: „Der Graf daheim kein Essen kriegt, weil Gräfin durch die Lüfte fliegt.“
Dann aber geht es wirklich in die Berge, u.a. nach Bad Kohlgrub. Dort zeigt der Film eine Schulklasse mit Buben, die gerade Skiunterricht bekommen.
„Obwohl das Thermometer während dieser Aufnahmen auf minus 27 Grad stand und sogar die Kamera einfror,
hätte kein einziger ABC-Schütze die Skistöcke mit dem Griffel im warmen Schulzimmer vertauschen wollen“,
ist der launige Kommentar des Autors dazu. Nach dem Kinderskikurs entführt der Film den Zuschauer hinauf auf die Zugspitze
und zeigt moderne Abfahrtstechniken und die damals aktuelle Apres-Ski-Mode mit zwei weiblichen Mannequins.
Gegen Ende wird noch die traditionelle Art des Skifahrens gezeigt: Felle unter die Ski montiert und aus eigener Kraft den Berg hinauf steigen,
um nach stundenlangem Anstieg ein paar wunderschöne von Bergfrieden erfüllten Minuten lang talwärts zu sausen.
Nach herlichen Aufnahmen mit schneebedeckten Berglandschaften wird der Zuschauer noch darüber aufgeklärt,
dass so ein Skilift auch Menschen die Möglichkeit des Skifahrens erlaubt, die aus eigener Kraft nicht bergauf steigen können:
Auch den Alten und Gebrechlichen und vor allem den sportbegeisterten Versehrten eröffnet der Skilift die weiße Welt des Winters.
Heute, 60 Jahre später kennt man das ganz selbstverständlich z. B. von den Paralympics.
In puncto Sicherheit beim Skifahren endet dieses Feature mit der Prognose, dass es durchaus möglich ist,
dass das Skihaserl von morgen mit dem Sturzhelm auf dem Kopf die Piste abfahren muss."
https://www.ardmediathek.de/video/alpha ... VsXzI4NDg3
alpha retro "Von der Spur zur Piste" 1956
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alpha retro "Von der Spur zur Piste" 1956
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Höflichkeit ist wie Schnee – sie verschönert alles, was sie berührt.